Zukunftsfähige Wärmeversorgung in Nagold
Im Klimaschutzkonzept wurde 2016 für Nagold empfohlen, ein CO2-Reduktionsziel um 35 Prozent bis 2030 festzulegen. Zur Unterstützung der Zielerreichung ist ein entsprechendes Engagement durch die Gemeindeverwaltung sowie eine proaktive Unterstützung privater Ideen und Aktivitäten erforderlich. Besonders auch im Bereich der Wärme und den Erneuerbaren Energien gilt es, Potenziale zu identifizieren und vor allem dann auch zu heben.
Für den städtischen Klimaschutzmanager Kevin Mack, der zusammen mit den Dienstleistern der Stadtwerke Tübingen Thomas Clauss und Reiner Zinser den Wärmeplan erstellt, bietet dieses Projekt neben der Bestands- und Potenzialanalyse die große Chance, die energetische Situation der Stadt Nagold im Hinblick auf Wärme strategisch einzuordnen.
Dabei entstand bereits ein Austausch mit den handelnden Akteuren, Flächeneigentümern und Entscheidern. Die frühzeitige Kommunikation und Gespräche zu Potenzialgebieten ist für eine spätere Umsetzung von gemeinschaftlichen Wärmeprojekten grundlegend.
Die Wärmewende erfordert neben der drastischen Reduzierung des Gebäudewärmebedarfs vor allem eine zukunftsfähige und CO2-neutrale Energieversorgung des verbleibenden Restwärmebedarfs. Dieser muss möglichst vollständig durch erneuerbare Energien und Abwärme gedeckt werden, da ansonsten eine CO2- neutrale Wärmeversorgung des Gebäudebestandes in der Zukunft nicht realisierbar ist. Da Wärme im Regelfall leitungsgebunden transportiert wird, muss dieser Transformationsprozess unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort gestaltet werden.
Diesen Transformationsprozess auf der Ebene der Kommunen zu steuern, ist Gegenstand der kommunalen Wärmeplanung.
Für die Wärmeleitplanung werden daher seit einigen Monaten die Wärmeverbräuche und Energieträger aller privaten, kommunalen und gewerblichen Gebäude erhoben sowie bestehende Heizzentralen, Wärmeleitungen und örtliche Begebenheiten (Geologie, Grundwasser und Oberflächenstruktur) aufgenommen und in eine digitale Karte eingepflegt.
Mit den erhobenen Daten beginnt die Eruierung der Potenziale zur Wärmeerzeugung im Gebiet der Gemarkung Nagold. Dazu gehören neben der Geothermie unter anderem auch Brunnen-geführte Wärmepumpen, solarthermische Anlagen, Windenergieanlagen, Biomasseheizwerke oder solare Adsorptionskältemaschinen. Zusätzlich sollen die Abwärmepotenziale von Unternehmen oder der örtlichen Kläranlage ermittelt und berechnet werden.
Anhand der Karte werden die Potenziale der Geothermie sichtbar: je dunkler, desto effizienter. Karte: LGRB
Für eine erfolgreiche, von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragene Wärmeversorgung, müssen die Akteure und interessierten Gruppen wie auch die Bürger und Bürgerinnen mit in den Planungsprozess eingebunden werden.
Hierfür organisiert die Stadt Nagold am Donnerstag, 21. September, um 18 Uhr im KUBUS Nagold eine Informationsveranstaltung, bei der auch Ideen und Anregungen aufgenommen werden. Verschiedene Akteure, darunter Haushalte, Naturschutzverbände, Unternehmen sowie landwirtschaftliche Betriebe, sind für die bisherigen Potenzialerörterungen einbezogen worden.
Für Nagold wurde ein Einsparpotenzial im Wärmesektor von insgesamt 95.000 MWh pro Jahr ermittelt (im Vergleich - 30 MWh für durchschnittliches Einfamilienhaus pro Jahr). Das Einsparungspotenzial durch Sanierung bei Wohngebäuden (unter anderem durch Dämmung und Erneuerungen der Fenster) ist groß.
Das Potenzial der Erneuerbaren Energien wird auf der Gemarkung Nagold mit über 100.000 MWh eingeschätzt. Die Anzahl geeigneter Gebäude für Photovoltaikanlagen mit circa 5000.
Im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung wurden bisher über 20 Maßnahmengebiete geprüft, unter anderem stechen aufgrund der Potenziale hervor:
- Schiene Innenstadt – OHG-Verwaltungsgebäude-Burgschule bis Rathaus (unter anderem auch Polizei und Gericht)
- Schiene Lemberg – Lembergschule – Kreiskrankenhaus – Berufsschulzentrum
- Schiene Iselshauser Tal (von Bereich Viadukt bis Calwer Deckenareal)
Des Weiteren sind die Gewerbegebiete ING-Park und Wolfsberg relevant, da dort hohe Wärmebedarfe auf engem Raum vorliegen. Mit circa 30 Firmen wurden bereits intensive Gespräche geführt. Die Unternehmen zeigen großes Interesse und unterstützen den Prozess. Mit der Neuansiedlung des Boysen Batteriegehäusewerks im Umfang von 100 Millionen Euro auf dem Nagolder ING-Park können auch an diesem Standort frühzeitig neuartige Gemeinschaftsprojekte, zum Beispiel im Bereich Wasserstoff und Solarthermie, in Betracht gezogen werden. Die Priorisierung und Reihenfolge muss basierend auf vielen Kriterien noch durch den Gemeinderat geprüft und abschließend beschlossen werden.
Die konkrete Umsetzung einer Wärmeschiene, also einer leitungsgebundenen Wärmeversorgung über längere Distanzen mit dem Medium Wasser bedeutet, wie hier am Beispiel der Tübinger Altstadt im Bild aufgezeigt, kostspielige Tiefbauarbeiten, die auch zu vorübergehenden Nutzungsbeeinträchtigungen und Sperrungen führen.
Ausbau einer Wärmeschiene in der Tübinger Altstadt. Foto: Jörg Jäger
Von dieser konkreten Umsetzung und den Baumaßnahmen ist man in Nagold noch ein gutes Stück entfernt. Jedoch konnten im Rahmen der Erstellung des Wärmeplans erste Gespräche mit relevanten Akteuren geführt werden, was eine schnellere Umsetzung begünstigen kann.