„Was bleibt“ - Ausstellung im Steinhaus
Frau Hauser, ab Samstag, 29. Juni, sind im Steinhaus die Werke der drei deutschjüdischen Schwestern Käthe Loewenthal, Agnes Schaefer und Susanne Ritscher zu sehen.
Ihre Karrieren als Künstlerinnen begannen Anfang des 20. Jahrhunderts.
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher, wenn sie das Museum betreten? Welche Art von Kunst wird ausgestellt?
Wir zeigen Ölgemälde, Aquarelle, Pastelle und Bleistiftskizzen von Käthe Loewenthal und Susanne Ritscher. Beide waren professionelle Malerinnen.
Ihre gemeinsame Schwester Agnes Schaefer war professionelle Fotografin
und arbeitete ab den 1920er Jahren in Griechenland.
Welche Bedeutung hat diese Art von Ausstellung für das Steinhaus?
Alle zwei Jahre zeigt das Museum im Steinhaus im Sommer eine große Kunstausstellung, für die das ganze Haus umgestaltet wird.
Die präsentierten Arbeiten stammen meist aus der Kunstströmung des Expressiven Realismus, einer gegenständlichen und zugleich ausdrucksstarken Darstellungsform, der sich auch der bekannte
Nagolder Maler Otto Dünkelsbühler bediente.
Käthe Loewenthals Werke werden ebenfalls dieser Strömung zugerechnet.
Sie studierte an der Akademie in Stuttgart und lebte dort bis zu ihrem Malverbot durch die Nationalsozialisten als freie Malerin. Diese Ausstellung führt also gewissermaßen eine Ausstellungsreihe um die Kunstschaffenden des Expressiven Realismus weiter.
Wie sind die Schwestern zur Kunst gekommen?
Die Familie Loewenthal war freigeistig und wohlhabend, was ihren Töchtern
vieles ermöglichte. Käthe, Agnes und Susanne konnten ihre Berufswünsche im Bereich der Malerei und der Fotografie verfolgen, was für Frauen ihrer Generationen ungewöhnlich und selbstbewusst war.
Käthe und Susanne begannen schon früh, sich der Malerei zuzuwenden. Agnes hingegen ließ sich nach ihrer Scheidung mit 37 Jahren zur professionellen Fotografin ausbilden, um finanziell für sich und ihre Kinder sorgen zu können.
Welche Folgen hatte die Machtergreifung der Nationalsozialisten für
die jüdisch-stämmige Familie?
Nachdem die Bevölkerung den Nationalsozialisten durch eine demokratische Wahl die Macht übergeben hatte, begann ab Januar 1933 die zunehmende Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung von bestimmten Bevölkerungsgruppen, besonders der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Die Familie Loewenthal war jüdisch-stämmig und daher von diesen Maßnahmen betroffen. Agnes Schaefer war bereits 1923 auf dem Höhepunkt der Inflation nach Griechenland ausgewandert. Nachdem sie ihre Kinder versorgt sah, verschwand sie im Oktober 1933 auf einer Bergwanderung spurlos. Ihre Nachkommen vermuten, dass sie ihrem Leben selbst ein Ende setzte, um ihren in Deutschland lebenden Kindern als gebürtige Jüdin keine Belastung zu sein.
Käthe Loewenthal erhielt 1934 ein Mal- sowie Ausstellungsverbot und wurde aus allen Kunstvereinen ausgeschlossen. Von da an war es ihr nicht mehr möglich, ihren Beruf auszuüben. Die Nationalsozialisten hatten ihr die Existenzgrundlage entzogen. 1937 wurden ihre Werke aus öffentlichen Sammlungen entfernt, 1941 musste sie in eine sogenannte Judenwohnung umziehen, 1942 wurde sie deportiert und im Vernichtungslager Izbica ermordet.
Susanne Ritscher wurde 1934 von ihrem Mann geschieden. Er hatte durch die Ehe mit einer Jüdin berufliche Nachteile zu erwarten. Da Ritscher allerdings Kinder aus dieser sogenannten „privilegierten Mischehe“ hatte, wurde sie zunächst nicht mit derselben Härte wie ihre Schwestern verfolgt. Erst 1944 drohte ihr die Deportation. Sie täuschte einen Suizid vor, floh und wurde von einer befreundeten Familie in Gauingen auf der Schwäbischen Alb versteckt. Doch 1945 wurde das Versteck bekannt, sie floh erneut, wurde verhaftet und in ein Zwangsarbeitslager verbracht. Als einzige ihrer Schwestern überlebte sie das NS-Regime.
„Was bleibt“ ist der Titel der Ausstellung – was steckt dahinter?
Was bleibt von diesen drei Persönlichkeiten, was bleibt für ihre Familien, was bleibt von ihrer Kunst.
Aber auch: „Was bleibt“ im Sinne von „was bleibt nun für uns zu tun?“. Ein Auftrag also. Wir dürfen nicht vergessen, was in Deutschland vor nicht einmal hundert Jahren passiert ist. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass es sich nicht wiederholt.
Und das ist mir übrigens auch für die Museumsarbeit wichtig.
Das Museum im Steinhaus ist eine wissenschaftliche Einrichtung mit mir als einer wissenschaftlichen Leitung. Museen sind Orte der Wissenschaft, der Bildung und des Vertrauens. Sie können sich auf uns verlassen. Manche Museen mögen sich darüber hinaus auch als Diskussionsräume verstehen – wie zum Beispiel das Steinhaus in Nagold.
Aber es gibt Dinge, über die können wir diskutieren und es gibt Dinge, über die können wir NICHT diskutieren. Wir diskutieren nicht über Fakten. Die Verfolgung und Ermordung von Menschen unter dem menschenverachtenden NS-Regime ist wissenschaftlich belegt. Dass Museen in Deutschland sich allerdings zunehmend mit - ich nenne es mal - „alternativen Meinungen“ zu diesem Bereich der historischen Forschung auseinandersetzen müssen, ist eine besorgniserregende Entwicklung.
Aber Angst können wir uns nicht leisten. Privat nicht und in den öffentlichen Museen nicht. Vielmehr sollten wir handeln, solange wir handlungsfähig sind. Und Haltung zeigen.